Laura Trinkies und Sara Claramunt – Große Prozesse ganz klein gedacht
Immer mehr Menschen achten auf eine gesunde Ernährung, vor allem Zucker wird von vielen gemieden. Polydextrose ist dafür ein beliebter Ersatzstoff. Hergestellt wird der Stoff durch chemische Synthese. Um diesen Prozess effizienter zu gestalten, forscht Sara Claramunt am KIT-Institut für Mikroverfahrenstechnik daran, eine neue Möglichkeit der Polydextrose-Herstellung zu entwickeln. „Wir spielen in der Mikroverfahrenstechnik chemische und physikalische Prozesse auf kleinem Volumen ab. Das heißt, ich suche in der Polydextrose-Herstellung nach neuen Reaktorkonzepten. Ziel ist, sie energieeffizienter und klimafreundlicher zu machen. Ich untersuche beispielsweise die Verwendung von verschiedenen Membranen, um Nebenprodukte bei der Herstellung zu entfernen. Aber ich probiere auch Reaktorkonzepte mit 3D-gedruckten Teilen aus, die die Ausbeute der Reaktion verbessern sollen“.
Für die Chemieingenieurin stand schon als Jugendliche fest, dass sie einmal lösungsorientiert arbeiten wollte. „Ich wusste schon als Kind, dass ich Ingenieurin werden will. Technische Prozesse und neue Lösungen dafür zu finden, das hat mich fasziniert. Auch Technologien zu entwickeln, hat mich begeistert. Dann kam nur noch die Frage, welche Ingenieurswissenschaft es werden soll. Da ich Chemie schon in der Schule sehr mochte und auch eine engagierte Lehrerin hatte, entschied ich mich für das Chemieingenieurwesen“.
Auch Laura Trinkies ist Doktorandin am Institut für Mikroverfahrenstechnik. Sie forscht an einer neuen Technologie zur Herstellung von Wasserstoffperoxid. „Brauner Zellstoff der zu Papier werden soll oder die Desinfektion in Krankenhäusern - wegen seiner stark oxidierenden und zelltoxischen Wirkung wird Wasserstoffperoxid als Bleich- und Desinfektionsmittel eingesetzt. Die Produktion der Verbindung findet großtechnisch in zentralen Chemieanlagen statt. Da sich Wasserstoffperoxid jedoch in hochkonzentrierten Lösungen spontan zersetzen und explodieren kann, ist der Transport nur unter Sicherheitsvorkehrungen möglich, was das Produkt teuer macht“, erklärt Laura Trinkies. Ihre Idee ist, dass man die Produktion in einem kleinen Prozess dezentral anlegen kann. Dafür verwendet sie kleine Reaktoren, die sie additiv herstellt, im 3D-Druckverfahren. „Mit dieser Technik bin ich modularer, kann schneller skalieren, also meine Module anpassen. Die Strömungselemente, die die Reaktionen intensivieren, versuche ich mit Katalysatoren zu beschichten und dadurch den Prozess zu optimieren“, so die Doktorandin.
Die Maschinenbauingenieurin wusste schon nach dem Abitur, dass sie ein Fach studieren wollte, in dem Lösungen gesucht werden und Herausforderungen bestehen. Deshalb entschied sie sich zunächst für die allgemeinen Ingenieurswissenschaften an der Universität Bayreuth, dann wechselte sie nach Karlsruhe und vertiefte sich für ihren Masterabschluss in Maschinenbau in die Medizin- und Energietechnik. Dabei kam sie in Kontakt mit einem Forschungsinstitut in Irland und beschloss nach dem Studium auf der Insel zu arbeiten. Dort beschäftigte sie sich mit mikrostrukturierten Reaktoren, vor allem für die Diagnostik.
Sara Claramunt begann ihr Studium zunächst an der Polytechnische Universität von Valencia. Mit dem Erasmusprogramm kam sie 2012 zum ersten Mal ans KIT. Die letzten zwei Semester ihres Studiums absolvierte sie in Karlsruhe. Die Abschlussarbeit schrieb sie in einem mittelständischen Unternehmen im Sauerland und wurde dort im Anschluss angestellt. Als Ingenieurin arbeitet sie als erste in ihrer Familie. Während der Zeit im Unternehmen stellte Sara Claramunt fest, dass der Ingenieursberuf immer noch eine Männerdomäne ist. „2014 habe ich auf Konferenzen, Messen und Arbeitsausschüssen nur sehr wenige Frauen getroffen, die das Fach studiert haben. Das hat mich überrascht“.
Laura Trinkies kehrte 2019 für ihre Promotion ans KIT zurück und engagiert sich seit dessen Gründung auch im CIW- Ingenieurinnen Netzwerk (CIW IN) . Positiv empfindet sie, dass am Institut für Mikroverfahrenstechnik das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ausgewogen ist. Trotzdem hat sie für sich persönlich entschieden, während der Promotion auf Familiengründung zu verzichten, da die zeitliche Belastung sehr hoch ist. Ein Entschluss, den einige ihrer Kolleginnen teilen. Noch immer sind Akademikerinnen zurückhaltend, Familie und Karriere zu wagen. „Es ist ein Strukturwandel der immer noch Zeit braucht. Das Verständnis, dass die familiären Aufgaben nicht allein bei der Frau liegen können, ist ein Prozess, das muss sich erst noch entwickeln“, überlegt Laura Trinkies. Bei der Wahl des Studienfachs rät die 28-Jährige jungen Frauen, auf ihr Bauchgefühl zu hören und sich nicht vom Hinweis auf schwere Prüfungen abschrecken zu lassen. „Es gibt da keine richtige und falsche Entscheidung, die Tür geht in beide Richtungen, man kann sich da auch wieder umentscheiden. Wenn man eine Leidenschaft für ein Fach hat, dann fällt einem das Lernen leicht und alles ist machbar.“
Auch Sara Claramunt ist seit 2019 Doktorandin am Institut für Mikroverfahrenstechnik. Ihre Promotion hat sie immer im Hinterkopf behalten. Der Austausch im CIW- Ingenieurinnen Netzwerk (CIW IN) ist ihr wichtig, weil Frauen oft Neuland als Ingenieurin betreten, beispielsweise wenn sie während der Promotion Kinder bekommen. „Ich habe Kolleginnen kennen gelernt, die Kinder haben und sich sehr gut organisieren können. Sie werden für das Netzwerk einen Leitfaden erstellen, wie das funktioniert. Davon wird die nächste Generation hier am Institut profitieren“. Jungen Frauen, die eine Ingenieurswissenschaft studieren, rät sie: „Sie sollten die Chance nutzen, Werkstudentin in einem Unternehmen zu werden oder wissenschaftliche Hilfskraft an einem Institut, damit sie mehr Bereiche kennen lernen und wissen was ihnen liegt. Selbst wenn nach dem Abschluss eine Aufgabe kommt, die nicht Inhalt des Studiums war, ist das zu schaffen. Wir müssen es nur wollen und uns nicht entmutigen lassen“.
Text: Heike Marburger