Wie Forschung in der Lebensmittelverfahrenstechnik die Textur von veganen, proteinreichen Joghurtalternativen verbessert

Du hast bestimmt auch schon mal eine vegane Joghurtalternative probiert und feststellen müssen, dass diese nicht ganz so gut auf der Zunge zergeht wie ein aus Kuhmilch hergestellter Joghurt?

Mit genau dieser Problematik beschäftigt sich Désirée Martin am Institut für Lebensmittelverfahrenstechnik (LVT). Die Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin stellt ihr Promotionsprojekt wie folgt vor: „Vegane, proteinreiche Joghurtalternativen werden von Konsumentinnen und Konsumenten oft als zu fest und eher sandig beschrieben. Dadurch ergibt sich eine geringe Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern. An der LVT modulieren wir die Textur hin zu einer cremigeren Joghurtalternative und einem besseren Mundgefühl, unter anderem durch Zugabe von Öl und pektinbasierten Mikrogelpartikeln. Das sind kleine Partikel im Mikrometerbereich, die aus Pektin, einem Zellwandbestandteil verschiedener Pflanzen, hergestellt werden. Pektin wird aus Nebenströmen der Lebensmittelindustrie gewonnen. Beispielsweise können Zuckerrübenschnitzel, welche bei der Zuckerproduktion als Nebenstrom anfallen, weiter verwertet werden, um daraus Pektin zu extrahieren. In Marmeladen wird Pektin bereits eingesetzt, um aus Früchten ein gelartiges Lebensmittel herzustellen. Ich verwende den Rohstoff, um daraus Mikropartikel herzustellen, die die Struktur der Joghurtalternativen auflockern und damit ein angenehmes Mundgefühl schaffen.“

Désirée Martin untersuchte die veganen Ersatzprodukte zunächst rheologisch, das heißt im Hinblick auf das Verformungs- und das Fließverhalten, aber auch tribologisch, auch in Bezug auf die Schmiereigenschaften. Sie geht der Frage nach, wie sich der dünne Film auf der Zunge anfühlt und wie man das Schmierverhalten und damit die Konsistenz der Joghurtalternativen optimieren kann. Oral Tribology ist in der Lebensmittelverfahrenstechnik ein relativ neuer Forschungsbereich, das Messgerät dazu kommt ursprünglich aus dem Bereich der Kugellagerschmierung.

Mithilfe von Pins (kleinen Zylindern) aus Polymer und einer Glaskugel werden Zunge und Gaumen nachgebildet, zwischen Pins und Glaskugel befindet sich die zu untersuchende Sonde. Pins und Glaskugel werden aufeinander gefahren, so kann Désirée Martin den Reibungskoeffizienten messen und daraus die Schmierung ableiten. Die Verfahrenstechnikerin ist begeistert von dem neuen Messgerät: „Früher konnte man diese Eigenschaften nur mit geschulten Panels – das sind auf das Produkt trainierte verkostende Personen – untersuchen, heute geht das mit einem Messgerät.“ Das hat den großen Vorteil, dass man kein Panel braucht und die Ergebnisse objektiv sowie reproduzierbar sind.“

Désirée Martin ist gebürtige Thüringerin und hat sich schon früh für Technik interessiert. Für die jetzige Ingenieurin steht bereits fest, dass sie sich auch mit dem Studium in diese Richtung vertiefen möchte. So entschied sie sich für den Studiengang Bioingenieurwesen am KIT in Karlsruhe, wo sie sowohl den Bachelor als auch den Master absolvierte. Dass sie eine von wenigen Frauen in ihrem Jahrgang war, hat sie nie gestört, im Gegenteil: „Ich habe die Kommunikation auf Augenhöhe und die gegenseitige Unterstützung mit meinen männlichen Mitstreitern immer sehr geschätzt.“ Wir sind gemeinsam durch Höhen und Tiefen gegangen, Konkurrenzkampf gab Es ist nicht. Auch am Institut ist das heute noch so.“

Im Rahmen des obligatorischen Industriepraktikums während des Masterstudiums forschte sie sechs Monate an einer Fragestellung im Bereich Solid-Lipid-Nanoparticles . Es geht um die Entwicklung kleiner Partikel, in denen Wirkstoffe verkapselt werden können. Diese Partikel gelangen wiederum durch die erste Hautschicht und der verkapselte Wirkstoff wird freigesetzt. Die eigenständige Planung, Durchführung und Auswertung des kleinen Projekts bei Beiersdorf in Hamburg haben den jungen Wissenschaftlerinnen viel Selbstvertrauen gegeben und ihre Neugier auf mehr geweckt.

Seit Oktober 2021 promoviert Désirée Martin in der Arbeitsgruppe von Dr.-Ing. Ulrike van der Schaaf am Institut für Lebensmittelverfahrenstechnik. Professorin Heike P. Karbstein betreute das innovative Promotionsprojekt. Es waren die mitreißenden und inspirierenden Vorlesungen von Professorin Heike P. Karbstein, die bei Désirée Martin schon früh im Studium das Interesse für Lebensmittelverfahrenstechnik geweckt haben und dabei ist sie dabeigeblieben. Im Rahmen eines Projekts analysierten sie unter anderem die emulsionsstabilisierenden Eigenschaften verschiedener Gummi arabicum Proben. „Gummi Arabicum ist ein Harz, das in der Lebensmittelindustrie als Zusatzstoff vor allem in Getränken zum Einsatz kommt.“ „ In Limonaden stabilisiert es das Orangenöl, aber es ist nicht klar, welcher Teil des Gummi Arabicums diese Funktion übernimmt“, führt Désirée Martin aus .

Neben ihren wissenschaftlichen Tätigkeiten hat die hochmotivierte Doktorandin zwei Jahre lang das CIW -Ingenieurinnen-Netzwerk ( CIW IN ) koordiniert und zusammen mit anderen angehenden Ingenieurinnen ein Mentoring-Programm, verschiedene Workshops und das regelmäßige gemeinsame Mittagessen zum Netzwerken ins Leben gerufen. Besonderen Wert legt sie darauf, dass auch die Perspektiven der Frauen an der KIT-Fakultät für Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik berücksichtigt werden. Dazu bedarf es Vernetzung sowie fachlichen und persönlichen Austausch über das eigene Institut hinaus.

Text: Mareike Schroeter
Désirée und Heike KIT
Herstellung einer Emulsion im Technikum der LVT durch Désirée Martin und Professorin Heike P. Karbstein
Gummi arabicum KIT
Optische Kontrolle eines nativen Gummi arabicums
Tribometer KIT
Charakterisierung der Schmiereigenschaften einer veganen Joghurtalternative im Tribometer